Mit bitchat startet Jack Dorsey, Mitgründer von Twitter und CEO von Block, ein neues Messaging-Projekt, das bewusst gegen den Trend zentralisierter Kommunikation geht. Die App funktioniert komplett ohne Internet, Mobilfunknetz oder Benutzerkonto – stattdessen nutzt sie Bluetooth-Mesh-Technologie für Peer-to-Peer-Kommunikation. Das klingt radikal, ist aber durchdacht. Wer sich für digitale Unabhängigkeit interessiert, sollte sich bitchat genauer ansehen.
Der Auslöser für Dorseys heutige Richtung war ein Artikel von Mike Masnick aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „Protocols, Not Platforms“. Darin wird die Idee vertreten, dass offene Protokolle langfristig mehr Freiheit, Wettbewerb und Nutzersouveränität ermöglichen als geschlossene Plattformen. Dorsey nahm sich das zu Herzen. Zuerst initiierte er bei Twitter das Projekt Bluesky, das später unabhängig wurde. Danach stieg er dort aus und gründete unter anderem das dezentrale soziale Netzwerk Damus. Die Idee, dass Kommunikation nicht zentral gesteuert werden sollte, verfolgt er bis heute konsequent. bitchat ist sein neuester Versuch in dieser Richtung.
Was bitchat ist und wie es funktioniert
bitchat ist eine Peer-to-Peer-Messaging-App, die komplett auf Bluetooth Low Energy (BLE) basiert. Sie nutzt sogenannte Mesh-Netzwerke, bei denen jedes Gerät Teil eines größeren Netzes wird und Nachrichten von einem Gerät zum nächsten weitergegeben werden – ganz ohne Verbindung zum Internet, ohne Mobilfunknetz, ohne WLAN. Du brauchst keinen Account, keine Telefonnummer, keine E-Mail. Du installierst die App, und sobald andere Nutzer in der Nähe sind, kannst du ihnen direkt Nachrichten schicken – Ende-zu-Ende-verschlüsselt und anonym. Laut dem von Dorsey veröffentlichten Whitepaper ist bitchat so konzipiert, dass es kurzlebige Kommunikation ermöglicht. Die Nachrichten werden nicht dauerhaft gespeichert, sondern nur für den Moment der Übertragung genutzt. Das macht die App besonders robust gegen Zensur, Überwachung und Netzwerkausfälle – etwa bei Naturkatastrophen, politischen Protesten oder in Gegenden ohne stabile Internetverbindung.
Die technische Grundlage und offene Entwicklung
bitchat ist kein abgeschlossenes Produkt, sondern ein offenes Projekt. Dorsey hat nicht nur die Beta-Version über Apples TestFlight freigegeben, sondern auch den Quellcode auf GitHub verlinkt. Dazu kommt ein Whitepaper, das er selbst als „hässlich“ bezeichnet, in dem das zugrunde liegende Protokoll beschrieben wird. Wichtig ist: Es handelt sich um ein echtes Protokoll, nicht bloß um eine App. Das bedeutet, dass Entwickler theoretisch eigene Anwendungen auf Basis desselben Prinzips aufbauen könnten. Wer sich mit Technik auskennt, kann direkt einsteigen, mitentwickeln oder eigene Lösungen aufbauen.
Beta-Test sofort ausgereizt
Kaum hatte Dorsey den Link zur TestFlight-Beta veröffentlicht, waren alle 10.000 verfügbaren Plätze belegt. Das Interesse an einer unabhängigen, Bluetooth-basierten Messenger-App ist groß, vor allem in Tech-Kreisen und bei Nutzern, die Wert auf Datenschutz und Unabhängigkeit legen. Momentan befindet sich die App noch in einer sehr frühen Testphase. Sie ist funktional, aber keineswegs fertig. Das Projekt ist experimentell, offen für Feedback und eher als Machbarkeitsstudie gedacht. Ob es langfristig weiterentwickelt oder gar massentauglich wird, bleibt abzuwarten.
Was bitchat bedeutet – und was nicht
bitchat ist nicht als Ersatz für WhatsApp, Signal oder Telegram gedacht – zumindest noch nicht. Es ist auch keine App, mit der du täglich Gruppen-Chats oder Multimedia-Kommunikation betreibst. Sie richtet sich vor allem an Situationen, in denen klassische Netzwerke nicht verfügbar oder nicht erwünscht sind. Beispielsweise auf Festivals, bei politischen Demonstrationen, in Krisengebieten oder einfach in netzfreien Gegenden. Die Idee, Messaging komplett dezentral über ein Mesh-Netzwerk laufen zu lassen, ist nicht neu, aber selten so konsequent umgesetzt worden. Gerade der Verzicht auf Accounts, Telefonnummern und Server macht bitchat besonders.
bitchat: Ein radikaler Schritt zurück zur Kontrolle über Kommunikation
Mit bitchat zeigt Jack Dorsey, dass er seinen Fokus auf offene Protokolle und dezentrale Technologien ernst meint. Die App ist bewusst minimalistisch, funktioniert unabhängig von Internet oder Mobilfunk und verzichtet auf jede Form von Nutzerbindung. Damit bringt sie ein Konzept auf den Tisch, das sich klar von gängigen Plattformen abgrenzt. Ob bitchat eine große Nutzerbasis findet oder ein Projekt für Idealisten bleibt, ist offen. Fakt ist aber: Wer digitale Kommunikation denkt, ohne von zentralen Servern abhängig sein zu wollen, findet hier ein spannendes Experiment mit viel Potenzial. Wenn du die Entwicklung von bitchat weiterverfolgen willst, lohnt sich ein Blick auf GitHub und in die TestFlight-Beta – sofern wieder Plätze verfügbar sind. (Bild: Shutterstock / anatoliy_gleb)
- Apple verliert wichtige KI-Führungskraft an die Konkurrenz
- Apple Maps: Zwei neue Features im iOS 26 Code entdeckt
- iOS 26 Beta 3: Alle Neuerungen der dritten Testversion