Wenn es um Künstliche Intelligenz geht, dominieren derzeit Namen wie OpenAI, Google und Meta die Schlagzeilen. Apple dagegen wirkt auf den ersten Blick eher zurückhaltend. Doch der Schein trügt. In einem seltenen Interview sprechen zwei hochrangige Apple-Manager darüber, wie der Konzern KI einsetzt – und warum er nicht einfach auf denselben Zug aufspringt wie die Konkurrenz.
Joanna Stern vom Wall Street Journal hat sich mit Craig Federighi, Apples Software-Chef, und Greg Joswiak, Marketing-Chef des Unternehmens, über das Thema Apple Intelligence unterhalten. Im Gespräch geben sie ungewöhnlich offene Einblicke in Apples Strategie. Dabei wird klar: Apple geht bewusst einen eigenen Weg. Statt auf einen großen, öffentlich sichtbaren Chatbot zu setzen, arbeitet der Konzern an einer KI, die leise im Hintergrund wirkt – aber tief ins Betriebssystem eingebunden ist. Apple verfolgt eine andere Logik als viele Mitbewerber.
Apple Intelligence ist kein Produkt, sondern Teil des Systems
Greg Joswiak betont, dass Apple Intelligence keine eigenständige App ist. Es gibt keinen sichtbaren Einstiegspunkt, keinen Chatbot-Button, keine Plattform mit Logo. Die KI soll so funktionieren, dass du sie gar nicht aktiv wahrnimmst. Sie ist in iOS, iPadOS und macOS eingebettet und unterstützt dich in Alltagssituationen – ohne dass du das Gefühl hast, mit KI zu interagieren. Laut Joswiak liegt darin der große Unterschied zur Konkurrenz. Andere bauen einzelne Anwendungen rund um KI auf, Apple sieht sie als Grundfunktion, ähnlich wie Copy & Paste oder das Teilen-Menü. Ziel ist es, die Technologie dort einzusetzen, wo sie deinen Alltag tatsächlich einfacher macht.
Siri soll kontextbezogener werden
Craig Federighi ergänzt, dass Siri in Zukunft durch sogenannte App-Intents kontextsensitiver reagieren wird. Das bedeutet: Die Sprachassistenz kann auf Inhalte aus bestimmten Apps zugreifen und besser verstehen, worauf du hinauswillst. Wenn du etwa einen Termin planst oder eine Erinnerung erstellen möchtest, kann Siri relevante Informationen aus Kalender, Mail und anderen Apps einbeziehen. Diese Funktionen sind laut Federighi bereits intern im Einsatz – was in Demos gezeigt wurde, sei keine Theorie oder „Demo-Ware“. Joswiak widerspricht ausdrücklich dem Eindruck, Apple hätte etwas präsentiert, das noch nicht funktioniert. Damit reagiert er auch indirekt auf kritische Kommentare aus der Tech-Szene, unter anderem von John Gruber von Daring Fireball.
Apple verzichtet bewusst auf einen eigenen Chatbot
Auf die Frage, warum Apple keinen eigenen Chatbot entwickelt habe, antwortet Joswiak klar: Apple hat bewusst keinen ChatGPT-Konkurrenten gebaut. Stattdessen setzt man auf Integration. Apple-Nutzer sollen über das Betriebssystem auf ChatGPT zugreifen können – weil OpenAI hier die beste Lösung bietet. Aber Apple will nicht selbst ein neues Chatbot-Produkt entwickeln, nur um dabei zu sein. Federighi zieht einen Vergleich: Niemand verlange von Apple, ein eigenes Shopping-Portal wie Amazon oder ein Video-Netzwerk wie YouTube zu bauen. Warum also ein Chatbot? Apple sieht seine Rolle nicht darin, überall mitzumischen, sondern dort, wo man echten Mehrwert bieten kann.
Privatsphäre und On-Device-Verarbeitung stehen im Vordergrund
Ein weiterer zentraler Punkt in Apples Strategie: Datenschutz. Apple Intelligence läuft zu großen Teilen direkt auf dem Gerät. Das heißt, deine Daten verlassen dein iPhone oder iPad nicht. Im Unterschied zu vielen anderen KI-Lösungen, die Cloud-Rechenzentren nutzen, legt Apple großen Wert darauf, sensible Informationen lokal zu verarbeiten. Das betrifft auch Drittentwickler. Apple öffnet sein Foundation Models-Framework für Entwickler, damit diese lokal auf dem Gerät KI-Funktionen einbauen können, ohne Daten zu externen Servern schicken zu müssen. Das reduziert nicht nur die Datenschutzrisiken, sondern auch die Abhängigkeit von externen Anbietern.
Apple verfolgt ein anderes Tempo – und ein anderes Ziel
Obwohl Apple derzeit kein großes KI-Produkt am Markt hat, bedeutet das nicht, dass sie hinten liegen. Die Strategie ist langfristig ausgelegt. Apple will keine halbfertigen Funktionen veröffentlichen, sondern wartet, bis Technologie ausgereift ist und sich nahtlos in den Alltag der Nutzer integrieren lässt. Kritik an aktuellen Apple-KI-Funktionen, etwa an schwachen Bildgeneratoren im Image Playground oder an Siris gelegentlichem Unverständnis bei Kalendern, wird vom Unternehmen registriert. Aber statt mit der Brechstange nachzuziehen, geht Apple einen Schritt zurück, prüft und entwickelt gezielt weiter.
- Der Unterschied zur Konkurrenz: Während andere mit großen Sprachmodellen experimentieren, die enorme Rechenleistung und oft auch viele Nutzerdaten benötigen, arbeitet Apple an einem Modell, das ressourcenschonend, datensicher und individuell zugeschnitten ist.
Apple setzt auf stille Intelligenz statt KI-Show
Apple steht im KI-Wettlauf nicht hinten – es läuft nur auf einer anderen Strecke. Keine Showcases, keine Experimente, keine Beta-Funktionen für den Massenmarkt. Stattdessen: Integration, Datenschutz und Alltagsnutzen. Apple Intelligence ist nicht als Produkt gedacht, sondern als Teil der Infrastruktur. Wenn du Apple nutzt, wirst du in Zukunft KI-Funktionen verwenden, ohne es zu merken. Und genau das ist die Absicht dahinter. Weniger Lautstärke, mehr Substanz. (Bild: Apple)
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